Ansprache des 1. ZDF-Intendanten
Prof. Dr. Karl Holzamer
zum Sendestart am 1. April 1963
Erfaßt von Harald Keller

 

"Guten Abend, meine Damen und Herren. Ohne eine feierliche Eröffnung, vielmehr mitten aus dem Alltag der Arbeit, begrüße ich Sie als die Zuschauer des Zweiten Deutschen Fernsehens, dessen Zeichen mit den zwei Antennenmasten und den beiden Augen Sie schon kennen, und gebe den Bildschirm für unser erstes Programm frei.

Der Bildschirm, das was der Dichter einst "die Bretter, die die Welt bedeuten" nannte, das Welttheater, dessen Wesen und Wirkung Sie gleich nachher in dem Vorspiel Goethes "Auf dem Theater" durch den Direktor, den Autor, den Dichter und die lustige Person im Einzelnen kennen lernen werden, das ist es, was sich Ihnen heute präsentiert. Dieses "Welt-theater", das in seiner heutigen Form das darstellt, was uns bei den Worten Goethes, die nun schon über 100 Jahre zurückliegen, so eigentümlich neu und modern anmutet, mit der Erwartung des Publikums, der Zuschauer und der Kritiker, mit den hoch fliegenden Plänen, mit dem technischen Apparat selbst, den er damals schon vorausahnte. Und wir wollen das in einer leichten, uns selbst ironisierenden Form gleichsam bieten.
Denn nicht wir sind wichtig. Der Tag ist es. Er hat Bedeutung. Denn zum ersten Mal erscheint hier eine zentrale Fernseheinrichtung in Deutschland, die nun mit ihrem Programm das ablöst, was die sieben Rundfunkanstalten bis zum gestrigen Tage als das Zweite Programm dankenswerterweise ausstrahlten. Dankenswert deswegen, weil es eben auch im Interesse des Zuschauers gelegen war. Wir übernehmen es nun mit dem heutigen Tage in eigene Regie. Und das, meine Damen und Herren, werden Sie auf den gleichen Sendern empfangen können, auf denen bisher das Zweite Programm ausgestrahlt wurde, und wir hoffen sehr, dass in naher Zukunft es allen Fernsehzuschauern zugänglich sein wird.

Wir sind nun daran, der Vielfalt der Länder und Landschaften, der Parteien, der religiösen Bekenntnisse, der gesellschaftlichen Kräfte soll Rechnung getragen werden, aber in einem Programm, das keine geteilten Verantwortungen kennt und im Interesse des Zuschauers gestaltet werden soll. Das ist eine schöne und schwere Aufgabe zugleich, dessen sind wir uns alle bewusst. Gerade nach der verhältnismäßig kurzen Vorbereitungszeit, die uns dafür zur Verfügung stand. Die Erfüllung aber dieser schönen Aufgabe soll uns auch über alle Mauern und Stacheldrähte hinweg und aller Art in eine enge menschliche Nähe und in einen Kontakt zueinander bringen.

Vor knapp einem Jahr konnte ich die ersten Mitarbeiter gewinnen. Was ist nun in dieser kurzen Zeit, ich muss es noch einmal sagen, vom Nullpunkte an geschehen, um Ihnen dieses dreieinhalbstündige Programm täglich vorzubereiten. Und es geht uns allen so, wie auch dem Direktor im ‚Vorspiel' Goethes: Auf der einen Seite wünscht man sich, der Menge zu behagen, wie es dort heißt. Und dann wieder fragt man: ‚Wie machen wir's, dass alles frisch und neu und mit Bedeutung auch gefällig sei.' Genau das trifft unsere Situation, die wir zugleich das Neue, die Aktualität, das Zeitgeschehen, die Politik, und andererseits doch die Unterhaltung, das künstlerische Programm Ihnen ins Haus bringen sollen.
Wenn der Chefredakteur mit seinen Mitarbeitern für die Politik und das Zeitgeschehen verantwortlich ist und der Programmdirektor dafür die entsprechende eigene Form entwickelt, dann soll es Ihnen zu Gefallen sein. Freilich ist es so, dass wir nicht allen alles bringen können, obwohl es unser Wunsch ist. Wir müssen uns dabei bescheiden. Denn nicht ist für alle alles. Und trotzdem haben Sie nun durch dieses Programm die Wahl, Sie haben die Möglichkeit, sich einzustellen, das Eine oder das An-dere herauszuholen.

Es bleibt mir am Schluss nur ein Wort des Dankes und die Erwähnung der vielen Schwierigkeiten, denen wir begegnet sind und die wir auch in Zukunft noch haben werden. Aber dank eben der Hilfe von drinnen und draußen, aus Fernsehrat und Verwaltungsrat, und vor allem der unermüdlichen Mitarbeit aller derer, die zu uns gestoßen sind, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, können wir es wagen. In den letzten Tagen besonders häuften sich die Glück- und Segenswünsche. Wir haben sie wirklich und in jeder Weise brauchen können. Und weil wir sie brauchen konnten, geben sie uns auch den Mut, uns nun der Öffentlichkeit zu stellen."

Prof. Dr. Karl Holzamer

ZDF - Wie alles begann

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